In der stratum lounge treffen Menschen auf Themen, Worte auf Emotionen, Autor(inn)en auf Leser(innen). Hier bildet sich der aktuelle Nachhaltigkeits-Diskurs ab und Transformationswissen wird lebendig. Diskutieren Sie mit, um die Welt zu verstehen. Bilden Sie sich eine Meinung oder lassen Sie sich verunsichern. Helfen Sie mit, die Dinge auf den Punkt zu bringen.
Im Podcast bringen wir die Themen noch einmal auf den Punkt.
Seit dem ersten Bericht des Club of Rome (CoR) sind über 50 Jahre vergangen. Können wir uns darüber freuen, dass der seinerzeit projektierte zivilisatorische Zusammenbruch nicht eingetreten ist? Vor allem Ökonomen würden dies zuweilen triumphierend ins Feld führen, berichten die Autoren des neuen CoR-Berichts, für den es jetzt eine spezielle Ausgabe zur Situation in Deutschland gibt, der mit Unterstützung von Wissenschaftler(inne)n des Wuppertal Instituts entstanden ist („Earth for All Deutschland. Aufbruch in eine Zukunft für Alle“). Also, wie steht es um unsere Erde?
Erwartbar ist, dass die Autor(inn)en des Reports keine Entwarnung geben können. Schließlich sind inzwischen in sechs von neun Geosystemen die „planetaren Grenzen“ bereits erreicht oder überschritten worden. Ganz abgesehen von der weiter zunehmenden Klimaerwärmung. Wir wissen heute, dass sich Biodiversitätsverluste und Klimawandel gegenseitig verstärken. Und dennoch: Die Autor(inn)en von „Earth for All Deutschland“ malen keine neuen Katastrophenbilder. Dezidiert stellen sie fest, dass Resignation und Weltuntergangsstimmung unangebracht sind. Es gebe zahlreiche positive Trends in vielen Bereichen, die zum Optimismus Anlass geben, z.B.:
Diese Befunde sollen jedoch nicht als Entwarnung verstanden werden. Sie zeigen aber – und das ist die zentrale neue Erkenntnis – das notwendige Zusammenwirken mehrerer, bisher von der Politik immer noch getrennt und sektorbezogen betrachteter Hebel. Nur wenn es gelänge, „weg vom Silodenken und isolierten Maßnahmen einzelner Ressorts“ zu kommen, könne ein verlässlicher Pfad in Richtung eines nachhaltigen Erdmanagements eingeschlagen werden. Dann sei es gar nicht entscheidend, „ob es Wachstum gibt oder nicht“. Vielmehr würde eine integrative, die Interdependenzen der Hebelkräfte ins Kalkül ziehende Nachhaltigkeitspolitik den wirtschaftlichen und sozialen Strukturwandel bewirken, der tatsächlich die Treibhausgasneutralität Deutschlands erreichbar macht. Die fünf Hebel, die gleichzeitig und abgestimmt eingesetzt werden müssen, betreffen die Bereiche Armut, Ungleichheit, Empowerment, Ernährung und Energie.
Die Autor(inn)en betrachten zwei Szenarien, je nachdem, ob in allen fünf Politikfeldern die richtigen Weichen schnell genug gestellt werden. Im Szenario „Giant Leap“ führt das Zusammenwirken der Maßnahmen in den fünf Bereichen zu einem positiven Kippmoment, ab dem der Weg in eine nachhaltige „Wohlergehensgesellschaft“ nahezu unumkehrbar ist. Werden die Politiken jedoch weiterhin unabhängig voneinander und unabgestimmt verfolgt, führt uns das in ein Szenario des „Too Little Too Late“.
Zu den wesentlichen Implikationen dieses Ansatzes gehört die Verbindung von sozialer Gerechtigkeit und Klimaneutralität. „Nur eine privilegierte und zumeist vermögende Minderheit wäre derzeit in der Lage, aus eigener Kraft klimaneutral zu leben“, stellt die Studie fest. Erst wenn die Klimapolitik „Lösungen entwickelt, die allen ein klimaneutrales Leben ermöglicht“, besteht die Chance auf Erfolg.
Die Autoren sind diesbezüglich nicht wirklich optimistisch, sie stellen fest: „Ob in Deutschland beim derzeitigen Zustand der (Parteien-)Demokratie, des Machtgefälles zwischen Reich und Arm und des Lobbyismus sowohl ein gerechter sozialer Ausgleich als auch ausreichender Klimaschutz gelingen, ist heute nicht mehr so klar wie noch vor einigen Jahren.“ Es sei deshalb „durchaus denkbar, dass Deutschland den Weg des zögerlichen ‚Weiter so‘ mit nur trippelschrittartigen Verbesserungen (Too Little Too Late) einschlagen wird“. Die Chance, dass Deutschland an seine frühere Vorreiterrolle bei der Energiewende wieder anknüpfen kann und diese Rolle nach dem Konzept der „fünf Hebel“ sogar ausbaut, sei jedoch genauso gegeben. Voraussetzung sei, dass „eine neue gestaltende Rolle des Staates“ sichtbar werde.
Das Defizit, das die Autor(inn)en von „Earth for All Deutschland“ beklagen, hängt unmittelbar mit dieser Rolle zusammen. Sie stellen fest: „Im Kern ist es gar nicht die in Zahlen beschreibbare finanzielle Ungleichheit, die das Vertrauen in die Gesellschaft beschädigt. Es sind die dadurch eingeschränkten Handlungsspielräume, die Angst vor dem Abgehängtsein, der Mangel an Aufstiegsperspektiven und das Gefühl, dass es nicht gerecht zugeht im Land.“
Eine Gesellschaft, die die Grenzen des Wachstums überwindet, hätte nicht nur ökologische Probleme gelöst, sondern vor allem auch soziale. Insofern sind diese Grenzen nicht nur Risiko, sondern auch Chance für das gesellschaftliche Zusammenleben.
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